Sonntag, 23. April 2017

Mods, Les Minets, Paninari, Pijos oder Snobs: Der Einfluss des "Ivy League"- und "Preppy"-Stils auf die Modewelt in Europa...


Mein heutiger Beitrag beschäftigt sich mit dem doch deutlichen Einfluss des amerikanischen Ostküstenstils - sehr oft auch "WASP-Style" (der Begriff ist allerdings sehr irreführend und mit einer äußerst elitären Einstellung verbunden, die bei weitem nicht alle Mitglieder dieser gesellschaftlichen Kaste teilen) oder "Preppy"-Stil genannt - auf Europa.

Über den Vorläufer des "Preppy-Stils", den klassischen  Ivy League Stil und dessen Entwicklung allgemein habe ich ja bereits ausführlich berichtet...

Zur Erinnerung: die in den späten 1950er-Jahren aufkeimende Mod-Szene in London und einigen anderen englischen Großstädten wurde eben durch Hollywood auf der einen Seite und die in ganz Europa stationierten GIs auf der anderen Seite maßgeblich beeinflusst - kein Wunder, war Amerika doch der Inbegriff der Moderne und Zukunft.

Daher war bei diesen frühen Mods nicht nur Jazz, sondern auch der klassische, in den USA zu diesem Zeitpunkt massiv beworbene Ivy League Stil sehr beliebt, der zunächst in den Staaten eine regelrechte Modehysterie ausgelöst hatte.

Jedoch verfehlte dieselbe Wirkung auch andere europäische Länder wie Frankreich, Italien oder Spanien nicht, geschweige denn Österreich - und so wurde der ursprünglich nur an der Ostküste der USA verbreitete "Natural Shoulder/Preppy/Ivy League"-Stil überall dort mehr oder weniger schleichend in den landestypischen Stil integriert. Es ist ein sehr klassischer, aber auch sportlicher Stil, der nie an Aktualität verliert.

Besonders gut kann man den Einfluss in Norditalien sehen. Dort gibt es kaum ein Geschäft, das nicht Pennyloafer, Desert Boots, Button Down-Hemden oder Chinos führt. Ein wunderbares Beispiel ist hier De Paz in Bologna - wer einen Städtetrip nach Bologna plant, sollte unbedingt bei De Paz hineinschauen!


Quelle: www.theweejun.com


Abgesehen davon hat sich in Mailand in den 1980er-Jahren eine eigene, auf dem amerikanischen Preppy-Stil der 1970er-Jahre basierende Jugend-Subkultur entwickelt, die ihrerseits für viel Furore und Einfluss auf die restliche europäische Modeszene gesort hat: die Paninari!

Man mixte italienische Marken wie Moncler, Trussardi oder Cerruti mit Boots und Bootsschuhen von Timberland, Levi's Jeans, Baseball-Kappen, Polo-Shirts und Fliegerjacken:


Quelle: Pinterest / Newfangle Clothing

Mit klassischem "Ivy League-Style" hat das natürlich nicht mehr viel zu tun - dennoch hat diese Mode in den 1980er- und 1990er-Jahren sehr um sich gegriffen, und war nicht nur ansatzweise auch hier in Österreich zu sehen - statt der Moncler-Jacken waren es hier "Chevignon"-Jacken, aber der Rest des Looks war allgegenwärtig. In Italien ist der Look immer noch aktuell, letzte Woche habe ich hier in Wien einen italienischen Touristen in Timberland-Moccasins mit Vibramsohle, Levi's 501-Jeans und Moncler-Jacke gesehen...


Auch in Frankreich gab es in den frühen 1960er-Jahren eine Jugendbewegung, die der der Mods in England sehr ähnlich war - es ist auch gut möglich, dass es da auch eine gegenseitige Beeinflussung gegeben hat... wobei ich persönlich denke, dass es einfach dem allgemeinen jugendlichen Zeitgeist entsprochen hat, modern, urban und "cool" zu sein - ganz so wie es den Mods eben auch eigen war.

Man sollte auch bedenken, dass die Mods eine Bewegung aus der Arbeiterklasse waren, das scheinbare französische Gegenstück hingegen ist eher aus einem gutsituierten, bürgerlichen Hintergrund heraus entstanden. Bald wurden die Protagonisten, die Anzüge von "Renoma" trugen und gerne feierten, "Le Bande du Drugstore" genannt, nach dem Lieblingslokal der Szene, "Le Drugstore".

Später wurde aus der Bande "Les Minets"... aber seht selbst:


Quelle: http://paris70.free.fr/minets.htm

Quelle:
Minetdrawing


In Spanien ist der "All American Preppy"-Look ebenfalls sehr beliebt. Es gibt kaum einen ernstzunehmenden Schuhersteller, der nicht Pennyloafers, Tassel Loafers, Desert Boots oder Longwing Brogues anbietet, wie hier z.B. Carmina:



Quelle: Carmina


In Spanien werden die Anhänger des Ivy/Preppy-Stils gemeinhin "Pijos" genannt. Auch hier mischt sich der uns doch so bekannte Look mit der Leichtigkeit des Südens, die Farben sind bunter, der Look alles in allem jugendlicher und frischer - aber auch weniger klassisch:




Hier in Wien gibt es natürlich auch einen spürbaren Einfluss, der seinen Ursprung im Stil des "Old Money" der US-amerikanischen Ostküste hat. Der Stil ist vorwiegend bei Wienern, die auch eher zum "alten Geld" gehören und deren Wohnbezirk entweder der 1., der 19. oder der 13./ 14. Wiener Gemeindebezirk ist, beliebt. Man trägt hier gern Polo Ralph Lauren, Timberland Premium Boots und 3-Eye Classic Lugs, Sebago Pennyloafer oder Bootsschuhe und Barbour-Jacken. Die Geschäfte der Wahl sind zum Beispiel Alexander, House of Gentlemen, House of Scotland oder Dantendorfer in der Wiener Innenstadt...

Im Jugendjargon waren das zumindest in meiner eigenen Jugend die "Snobs", ich denke aber, sie sind es noch.

Ich persönlich war ein "Mod", nie ein "Snob", doch hier waren die Grenzen zeitweise fließend... zumindest in der Wahrnehmung der anderen, die mit abgeschabten Lederjacken und Dr. Martens herumgelaufen sind (das tat ich zeitweise natürlich auch!).

Der Wiener Stil ist grundsätzlich ein Schmelztiegel aus britischen, italienischen und amerikanischen Einflüssen, gepaart mit der Robustheit der austro-ungarischen Kunst des Schusterhandwerks:


weiche Schultern, natürliche Linien - hier aus dem Salon
Possanner in Wien. Credits: Gregor Semrad, Quelle:
http://www.possanner.com/de/galerie

Boater-Hut von Nagy, Schuhe von Vass,
Sakko und Fliege von Polo Ralph Lauren


Auch wenn die meisten Ivy League-Puristen all das gerne abstreiten würden, meiner Meinung nach sieht man die - durchaus auch auf Gegenseitigkeit beruhende - Beeinflussung, die seit Jahrzehnten vorkommt, doch recht deutlich... Für mich ein immer wieder spannendes Thema!


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