Samstag, 26. April 2014

Budapester...


... von Laszlo Vass. Unglaublich, aber wahr. Ein dermaßen gutes Preisangebot, dass ich zuschlagen musste (Vass-Schuhe haben eine einfach sehr, sehr hohe Qualität und sind dementsprechend teuer, normalerweise zu teuer für mich). Diesmal weder Mod, noch Ivy League, schon gar nicht italienisch vom Stil - sondern so dermaßen "altösterreichisch"-ungarisch, dass es schon wieder cool ist. Zwiegenähte Budapester in einer seltenen, schwarzen Kalbsleder-Scotchgrain-Mischung:


Zwiegenäht - mitteleuropäisch und wasserdicht!

Ein perfekter Schuh für die kalte Jahreszeit -
bequem (dicke Socken gehen sich gut aus),
robust und unempfindlich...



Auch hier ist eine (doppelte)
Rendenbachsohle im Einsatz!


Bilder "am Fuß" wohl erst im nächsten Herbst - aber dann...!



NACHTRAG:




Perfekt mit Burlington-Socken!



Mittwoch, 16. April 2014

Tour de Mod Teil IV: Robert Rotifer, Canterbury / Wien






Mein Gast ist diesmal ein in Österreich sehr bekannter Musikjournalist - sein Name ist:


 Robert Rotifer

© Paul Richards


Robert ist in erster Linie Musiker. Er ist bekannt sowohl für seine Solo-Alben, als auch für seine Zusammenarbeit mit anderen österreichischen Musikern und Bands wie Ernst Molden oder Velojet. Er war von 2010 bis 2012 Kurator des Wiener "Popfests" und das Musikvideo zu seinem Song "The Frankfurt Kitchen" wurde 2010 im Rahmen der Ausstellung "Counter Culture" in die Sammlung des "Museum of Modern Art" in New York aufgenommen. Des Weiteren schreibt er einen Blog  für den österreichischen Radiomusiksender FM4.


Museum of Modern Art, New York, 2010,
Präsentation zur Ausstellung "Counter Culture".


Doch langer Rede, kurzer Sinn - das Interview:


Was hat dein Interesse am „Mod-Lifestyle“ geweckt? Wie hat sich dein Kleidungsstil über die Jahre hinweg verändert/entwickelt?

Im Jahr 1979 wurde ich zehn. Ich kann mich jetzt noch an die Fernsehsendung Trailer erinnern, in der Frank Hoffmann wöchentlich Filme vorstellte. Da war ein Beitrag über „Quadrophenia“, der hat mich magnetisiert, weil die Leute, die darin vorkamen, ein bisschen so aussahen wie die von mir als Kind vergötterten Beatles, nur viel, viel gefährlicher. Nach dieser ersten Begegnung dauerte es ein paar Jahre, bis ich mich ernsthafter mit der Mod-Sache beschäftigte. 1982, als noch-12-jähriger, war ich einen Sommer lang mit meiner Schwester bei einer Host Family auf Ökista-Reise in Canvey Island. Dort war damals das Mod Revival noch in vollem Gang. Ich beobachtete also vier Wochen lang die Typen, die in Loafers, Sta-Prests und Perrys herumliefen und kaufte mir schließlich in Southend mein erstes Fred Perry-Shirt, weiß mit hellblau/dunkelblauem Trim. Nach und nach lernte ich dann mehr dazu. Sowohl musikalisch als auch modemäßig waren die Sixties meine Ausflucht aus dem Elend der Achtziger Jahre mit ihren Bundfalten-Hosen und Dosen-Schlagzeug-Sounds und der „Jetzt ist der Spaß vorbei“-Rhetorik unserer Lehrer. Der logische Schritt war, diese verrufene Zeit des Aufbruchs und der Befreiung zu erkunden, die offenbar gerade zu Ende gegangen war. Mein Taschengeld reichte für Nice-Price-Vinyl, Desert Boots und ein paar einigermaßen überzeugende Second-Hand-Sakkos. Bei meinem nächsten England-Aufenthalt zwei Jahre später kaufte ich mir in der Carnaby Street, wo es damals noch einige billige, eher trashige Mod Shops wie etwa das Cavern gab, eine weiße Denim-Jacke und -Hose, die kombiniert mit rotem Rollkragenpulli einen beinahe authentischen Keith Moon-Look ausmachten. Ich besaß übrigens nie einen Parka und war auch nie Teil einer Scooter-Bande, nie am Donnerbrunnen unterwegs. Ich war immer mehr Sixties-Fetischist als Mod, und in Wien, wo ich aufwuchs, war die Szene auch nicht unbedingt so sympathisch. Natürlich ist Elitarismus ein essentieller Bestandteil des Mod-Ethos, aber in Wien hatte er – im Gegensatz zum Proletarierstolz der britischen Mods – immer eine unangenehm aggressiv bourgeoise Färbung. Aber lassen wir das einmal beiseite. Für mich ging es wie gesagt darum, die unsagbare Grässlichkeit der Achtziger mit einer besseren Parallelwelt zu überdecken, musikalisch und ästhetisch. Mit der Zeit lernte ich dann über die Musik doch sehr feine Leute in der Wiener Mod- und Psychedelic-Szene kennen. Der Schlüssel war, dass ich ziemlich gut Gitarre spielte. Das brachte mich mit Leuten jenseits meiner Generation in Kontakt, die schon ein bisschen weiter waren in ihrer Erforschung der Subkultur.


Wien, 1989 mit "The Losers".


Was inspiriert dich? Sind es eher Filme, oder Magazine, das Internet?

Als 14-jähriger wollte ich einfach Pete Townshend sein. Ich konnte mir stundenlang Bilder von diesem dünnen Typen mit der langen Nase ansehen und kriegte nie genug. Dann hab ich mir um sagenhafte 400 Schilling beim Meki in der Operngasse eine VHS der „The Kids are Alright“-Doku gekauft und jeden einzelnen Frame davon auswendig gelernt. Townshends Idee, sein unvorteilhaftes Aussehen zu seinem Kapital zu machen, schien wie geschaffen für einen nicht gerade konventionell aussehenden, pickeligen Teenager wie mich. Dann kamen als ganz, ganz wesentlicher, Augen öffnender Einfluss die alten Truffaut-Filme mit dem unfassbar stylischen Jean-Pierre Léaud als Antoine Doinel, Sixties-Serien und B-Movies, die damals als billige Sendezeit-Fresser im Kabelfernsehen rauf und runter liefen. Die französischen Kids in den alten „Gendarme von St. Tropez“-Filmen, aber auch die Jazzer der frühen bis mittleren Sechziger. Ich studierte nicht nur die Kleidung, sondern auch die Art, wie die Leute dastanden und wie sie gingen. Wie David Hemmings in „Blow Up“ herrlich unathletisch über den Zaun springt. Die ganze furchtlose, arrogante Lebensart, die daraus spricht. Ich weiß nicht, ob ich mich von all dem heute noch inspiriert fühle. Alles rundum ist retro und vintage geworden, das hat der ganzen Sache ihren Spaß genommen. Irgendwann vor drei oder vier Jahren bin ich mit vier Londoner Freunden zusammen in einem Pub gesessen. Keiner von denen war je ein Mod, aber wir sahen auf unsere Schuhe runter und merkten, dass wir alle praktisch dieselben Brogues anhatten. Ich bin zwar froh, dass die Leute nicht mehr elende Turnschuhe anhaben wie damals in den Neunzigern, aber Retro-Konformität ist auch langweilig.

Was ist für dich die „Essenz“ des Mod-Daseins? Ist es bloß das Gewand, oder ist es ein kompletter Lebensstil für dich? Was gehört alles dazu?

Das schließt jetzt an die vorige Antwort an. Zunächst einmal muss ich aus Prinzip kurz festhalten, was man eh weiß: Ohne Zweifel ist Mod die spannendste aller klassischen jugendlichen Subkulturen, allein schon wegen des damit verbundenen grenzenlosen musikalischen Universums: Soul, R&B, Jazz, Psychedelia, Sixties-Pop, Blue Beat bzw. originalen Ska, Rocksteady und Reggae bis hin zum punkigen Power Pop der späten Siebziger, aber für mich gehörten immer auch französische Chansons, amerikanischer Folk und früher Prog dazu. Wenig deprimiert mich mehr, als wenn Leute Mod mit besonders spießiger Rockmusik assoziieren. Davon abgesehen war die Vorbedingung von Mod in den Sixties aber, dass Working Class-Jugendliche damals so gut verdienten wie noch nie. Die Realität der jungen Leute von heute könnte nicht konträrer sein. Für die Mod-Kultur bedeutet das, dass ihre Ideale für die heutige Generation völlig unerreichbar geworden sind, und das birgt die Gefahr einer Verspießerung von Mod durch meine Revival-Generation: Die schöne Lambretta als Midlife-Crisis-Äquivalent zur Harley Davidson des Rocker-Zahnarzts. Ergo habe ich für mich selbst begonnen, einige der unumstößlichen Mod-Weisheiten in Frage zu stellen. Den Fetisch Maßanzug zum Beispiel: Ich bin Enkel eines Schneiders. Als ich Teenager war, war der leider schon in Pension, aber ich ging schon mit 17 zur Schneiderin, um mir Hipster-Hosen, Vierknopf-Sakkos mit Cord-Kragen oder Rüschenhemden machen zu lassen. Eine Hemdenmacherin in Wien Favoriten schneiderte meine taillierten Hemden mit French Cuffs UND Three-Button-Down, was jetzt als Kombination gerade zu als Stilbruch erscheint, aber in den Achtzigern war Button-Down absolute Mod-Vorschrift. Davon abgesehen hatte ich natürlich auch immer Second Hand-Zeug, und im Nachhinein hänge ich an diesen Stücken oft am meisten. Ich will also diesen Fragebogen nützen, um eine Lanze für den „off the peg“-Look der mittleren bis späten Sixties zu brechen. Der Konsens ist ja, dass Mod 1964 gelaufen war. Das ist entweder Nonsense, oder ich bin eben kein Mod. Oder beides. Ich liebe nämlich den Pop Art-Look bzw. den teils bereits semi-psychedelischen, plakativ farbenfrohen Modernismus, den die Londoner Boutiquen von 65 bis 66 unters Volk brachten. Sakkos und Hosen, die nicht wirklich zusammengehören, über Hemden getragene, enge T-Shirts, bis oben zugeknöpfte Button Down-Hemden mit Candy Stripes, weiße Jeans mit Chelsea Boots... Die Sachen, die die Small Faces damals anhatten, haben sicher nicht länger als ein paar Wochen gehalten. Wie in Ian McLagans Autobiographie nachzulesen, kam es auch nie so weit, weil sie sich mit den glühenden Dope-Stückchen, die aus ihren Joints herabfielen, immer Löcher in die Hosen brannten. Ich habe deshalb für dieses Feature hier auch ein paar meiner billigsten, aber unersetzbaren alten Hemden gemeinsam mit ein paar maßgemachten Exemplaren abfotografiert.


Shirts à la 65/66, manche davon tatsächlich so alt,
andere solche, die Robert sich hat machen lassen.


Vor ungefähr einem Jahr hab ich gemeinsam mit meinem Freund Andy Lewis, dem Bassisten in Paul Wellers Band, in seinem liebsten Londoner Second Hand Shop herumgestöbert. Andy hat ein großes Faible für Spätsechziger- bis Frühsiebziger-Style. Er hat mir dementsprechend Mut zugesprochen, als ich einen Konfektionsanzug vom Carnaby Street-Kaiser John Stephen aus dem Jahr 1968 fand, den damals wohl nur Rockstars, fischige Filmproduzenten oder Zuhälter getragen hätten: Graublaue, Schurwolle mit buntem Nadelstreif, samt Weste und Zweiknopf-Sakko, letzteres Detail ein großer Tabu-Bruch für mich, aber das ist derzeit mein liebster Anzug. Natürlich finde ich einen perfekten Mohair-Dreiknopf-Anzug immer noch attraktiv, aber im Großbritannien des Vintage-Zeitalters leistet sich den schon ein jeder zu Geld gekommener Stand-Up-Komiker, das ist das Problem.



Hier ist der erwähnte Anzug von John Stephen
im Einsatz in Ramsgate.
Die klassischen Mods auf diesem Foto sind
aber wohl Roberts Sohn und seine Frau ;)


Psychedelisches Sakko mit Nehru-Kragen,
das die Modedesignerin Zutty Flamm
Ende der Achtziger schneiderte.
Dazu gehörte eine türkise Gabardine-Hose
mit dezenten Flares...

 
...und dieses Rüschenhemd, Lord Byron style.


Sixties-Flaggensignal-Ledergürtel.
Es gab Zeiten, da Robert den tatsächlich trug.


Ist es etwas anderes, als Mod in England zu leben als zum Beispiel in Österreich? Ist es von Bedeutung, dass du ursprünglich aus Wien bist?

Siehe oben, es ist zu einem gewissen Grad Teil der Folklore hier. Wenn zum Beispiel ein Politiker wie Alan Johnson sich als alter Mod outet und im Perry-Strickhemd bei der Fernsehdiskussion sitzt; sowas käme in meiner Geburtsheimat nicht vor. Die männliche Bevölkerung von Österreich ist dagegen so unentschuldbar mies gekleidet, dass ich dort aus Protest vermutlich auch auf puristisch schalten würde. Dass ich ursprünglich aus Wien bin, finden die Leute wenn überhaupt höchstens ein bisschen glamourös. Nicht unverständlicherweise übrigens. Was für ein beeindruckender Ort Wien eigentlich ist, versteht man erst, wenn man lange nicht dort war.

Du bist ja in erster Linie Musiker – wer hat dich denn am meisten beeinflusst? Gibt es auch Musiker, die dich von Ihrem Kleidungsstil her beeinflusst haben? Und dann noch du als Gitarrist: Fender oder Gibson?

Das hab ich eigentlich schon in einer meiner vorherigen Antworten vorweggenommen. Ganz ohne Scham muss man aber auch zugeben, dass die Beatles ab 1965 unglaublich gut gekleidet waren. Die orange-rosa gestreiften Outfits samt passenden Schuhen in „Magical Mystery Tour“. John Lennons moosgrüner Chord-Anzug. Paul McCartneys schlampiger Endsechziger-Look, Anzug und T-Shirt und barfuß, das kriegt so auch nicht bald einer hin. Und George Harrisons Haar bis ca. 1967? I rest my case. Fabelhaft finde ich auch den Look der Impressions im Wandel der Sechziger, ganz zu schweigen von den Anzügen der golden Stax-Ära: Otis Redding, Sam & Dave, diese Bumfreezer-Sakkos mit radikalen Hochwasserhosen. Vor zwei Jahren wollt ich mir das von einem Londoner Schneider genau so machen lassen, dann hat er mich beim Termin fürs Maßnehmen versetzt. Das habe ich als Zeichen gewertet und es besser bleiben lassen. Vielleicht bin ich eh zu alt für diesen körpernahen Look. Georgie Fame sah auch eine zeitlang unglaublich cool aus, dieser lässige, hemdsärmelige Tastenzauberer-Chic konnte was. Stevie Winwood detto, mit den geschlitzten Hosen auf dem Cover der „Paper Sun“-Single zum Beispiel. Die objektiv wohl ewig beste aller Mod-Bands The Action wäre ebendies auch gewesen, wenn sie nie einen Ton gespielt hätten, so gut sahen die aus. Und natürlich Chris Dreja, der bestgekleidete Yardbird.

Zur Fender oder Gibson-Frage: Gretsch und Rickenbacker! Im Ernst: Alles hat seinen Platz. Eine Gibson vor allem im Studio, weil insbesondere die Les Paul auf der Bühne einfach so saurockmäßig aussieht. Eine Telecaster dagegen ist nie falsch. Style-mäßig am wichtigsten ist die Gurtlänge: Nicht zu kurz aber vor allem um Himmels Willen nicht zu lang.



Auf der Bühne, mit nicht zu langem und nicht zu kurzem Gitarrengurt.
©Mark Sewell


Gibt es irgendwelche „Mod“-Berühmtheiten, die du gut findest?

Siehe oben. Sowie Terence und Chris Stamp. Und Jacques Dutronc!

 Und nun, zum Abschluss: Paul Weller oder Steve Marriott?

Steve Marriott hatte weniger Gelegenheit, was falsch zu machen. Bei dem mochte ich sogar die Latzhosen, obwohl bei Humble Pie schon einiges schief gelaufen ist. Paul Weller hat ein paar großartige Looks geprägt: Die „Café Bleu“-Phase, die Phase '80 bis '82 mit Sta-Prests, Polka-Dot-Hemden und perfektem French Cut das ist schwer zu übertreffen. Seine in den Zweitausendern eingeschlagene Neo-Twenties-Richtung – Doppelreiher, Riesenstecktuch, Two-tone-Brogues – muss man aber nicht unbedingt verstehen. Und die Nackenmähne muss weg! Obwohl mich schon auch die Konsequenz beeindruckt, mit der er das durchzieht. Als Sänger, Gitarrist und Songwriter find ich jedenfalls Weller besser. Die besten Small Faces-Songs schrieb sowieso Ronnie Lane.





Ich bin der Überzeugung, dass Robert Rotifer eines der wenigen "Gesamtkunstwerke" der Wiener Musikszene darstellt - alles, von seinen Kolumnen bis hin zu seiner Musik aber auch seiner Kleidung ist in sich stimmig und von einem Enthusiasmus geprägt, den ich in der heutigen Zeit oft vermisse... Ich möchte mich hiermit noch einmal bei ihm für das unglaublich ausführliche Interview und die Hilfsbereitschaft bezüglich der passenden Bilder bedanken - it's been a pleasure for me, Robert!


NACHTRAG:


 

Am 15. Mai war Robert Rotifer im Wiener Augarten in der "Bunkerei" zu Gast, um ein kleines, aber feines Konzert zu geben...

Nach dem Auftritt hatte ich die Gelegenheit, ein bisschen mit ihm zu plaudern - unter anderem über unsere Kleidung, Mods und Original Skinheads, den Männergarderobe-Blog, das Gitarrespielen...

hier der "Fotobeweis":



Roberts Hemd ist eines seiner alten Maßhemden
mit Button-Down-Kragen und
Doppelmanschetten ("French Cuffs");
seine Jacke ist vintage (späte 1960er)
und stammt von Levi's...