Sonntag, 22. März 2020

Was bedeutet eigentlich "klassische Herrenmode"?


In Zeiten der Selbstisolation mutet es seltsam an, sich über sartoriale Kleinigkeiten auszulassen...

Dennoch kam mir der Gedanke, doch einmal wieder einen Beitrag zu verfassen. Ich wollte schon länger einmal definieren, was "klassische Herrenmode" für mich bedeutet. Treibt man sich in diversen Stilforen oder ähnlichen Facebook-Gruppen herum, merkt man bald, dass "klassisch" - vor allem in Verbindung mit Schlagwörtern wie "Stil" oder "Gentleman" - oft verschieden ausgelegt wird.


Nadelstreifanzug aus dem Jahr 1949,
Krawatte aus den 1980er-Jahren, Hemd aus
den 1990er-Jahren, Stecktuch etwa 10 Jahre alt...


Für mich persönlich hat klassische Herrenmode zum Beispiel nur sehr wenig mit der Befolgung von angeblich unerlässlichen Regeln zu tun (die wirklich oft zitiert und meiner Meinung nach auch überstrapaziert werden). Wer dennoch eine Art Leitfaden benötigt, dem sei das mittlerweile selbst klassisch gewordene Buch "Der Gentleman" von Bernhard Roetzel ans Herz gelegt. Dieses Buch beleuchtet sehr übersichtlich und unterhaltsam eine Menge an Herangehensweisen und gibt Tipps - ohne dabei ein "Gesetzbuch" zu sein.




Doch, was bedeutet der Begriff "klassisch" nun für mich?

Meine Herangehensweise geht auf eine gewisse Art und Weise Hand in Hand mit der Philosophie des US-amerikanischen Modemachers Ralph Lauren.

Für ihn - oft als "Designer" bezeichnet (was er streng genommen nicht ist) - besteht eine perfekte Garderobe grundsätzlich aus "klassischen" Teilen. Gemeint ist damit nicht nur die Klassik im Sinne von "klassisch geschnittener Anzug", kombiniert mit Hemd, Krawatte, Hut und allem, was dazugehört, nein auch bei der Freizeitkleidung gibt es Klassiker... Allen voran Blue Jeans, aber auch Lederjacken, Kleidungsstücke, die vom Militär inspiriert sind (Parkas, Duffle Coats), Sport-Klassiker wie Sweatshirts, Strickwaren aus Großbritannien oder Italien, und noch viel, viel mehr.


Auch "klassisch": Rollhaube und College-
Jacke...

Mein Stil baut vor allem darauf auf, dass meine Anzüge, Sakkos und Hosen (inklusive Chinos und Jeans) grundsätzlich - obwohl aus verschiedenen Jahrzehnten stammend, so auch aus den meist als besonders stillos verunglimpften 1980er-Jahren - nicht zu weit oder zu eng geschnitten sind, nicht zu lang oder zu kurz sind, keine völlig irren Farben haben oder ganz einfach nur, dass nichts übertrieben wirkt. Ich orientiere mich an verschiedenen Stilepochen und versuche, passend zu kombinieren - ohne dabei zum Vintagefanatiker zu werden, der tagelang darüber sinniert, ob das Hemd vielleicht doch nicht passt, weil es keinem Schnittmuster der 1930er-Jahre folgt.


Anzug aus den 1980er-Jahren, klassisches Hemd
(Van Laack) von 2015, Krawatte aus den 1990er-Jahren
(Made in Italy), Gilet von 2016...

Ich mag insgesamt keine zu engen Jeans, keine Anzughosen, die an den Waden anliegen, oder Sakkos, die oberhalb vom verlängerten Rücken enden... Aber ob die Hose nun eine, zwei oder gar keine Bundfalten hat, eher schmal oder eher weit geschnitten ist, ob das Sakko zwei oder drei Knöpfe hat, das ist mir eher egal. Die Passform und Farbe sind mir dabei wichtiger, und ob mir die Kleidung insgesamt steht.

Abgesehen davon mag ich Freizeitkleidung. Ich halte absolut nichts davon, dass man nur dann "Stil hat", wenn man nie T-Shirts, Jeans oder Kurzarmhemden trägt, beziehungsweise Baseball-Kappen verabscheut, weil die "zu jungenhaft" wären.

In den allermeisten Situationen heutzutage (von geschäftlichen Terminen, Vorstellungsgesprächen oder Ähnlichem abgesehen) ist man mit guten Jeans (zum Beispiel Levi's 501), tollen klassischen Sneakers wie Converse All Stars oder eventuell Desert Boots, einem T-Shirt, das gut sitzt und das sichtbar gute Qualität vermuten lässt, gepaart mit einer Made in USA-Baseball-Kappe und Bausch & Lomb Ray Ban-Sonnenbrille womöglich besser gekleidet als mit eher langweiligem Sakko und grauer Hose plus Krawatte.

Stil gewinnt man durch Selbstbewusstsein und Authentizität - vor allem bei der Kleidung.


Ralph Lauren in einem Anzug, der sicher
in den 1980er-Jahren gefertigt wurde.
Mit den richtigen Accessoires sieht er
absolut zeitgemäß und stilvoll aus.
Quelle: Town and Country Magazine



Ich selbst kombiniere gerne verschidene
Freizeitklassiker, die auf den ersten
Blick nicht unbedingt zusammengehören:
Hier eine Barbour International mit einem
Militär-artigen (nach US-Vorbild) Zwischen-
futter von Polo Ralph Lauren,
Selvedge-Jeans, Clarks Wallabees und
einem Rollkragenpullover Made in Italy.






2 Kommentare:

  1. perfekt!
    gregor von rezzori verriet uns einst in den sechzigern im hawelka:
    "die hose sitzt, die jacke fällt; und nicht umgekehrt.....
    sagt alles....
    knitterbub

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