Die "Tour de Mod" geht in die sechste Runde! Mit Kevin, einem jungen Modernisten aus Weinsberg im Landkreis Heilbronn, Deutschland. Kevin ist derzeit Gesundheits- und Krankenpflegeschüler und abgesehen davon Gitarrist und Bassist bei
"The Artbags".
Was hat dein Interesse am "Mod-Lifestyle" geweckt? Wie hat sich dein Kleidungsstil entwickelt?
Ich würde nicht sagen, dass mein Interesse von heute auf morgen geweckt wurde, ich würde es eher als eine Evolution des (guten) Geschmacks bezeichnen. Ich war als Kind schon großer Beatles Fan und kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mit meinem Grundschulkumpel in meinem Zimmer saß und die Beatles Anthology Platten (in der Tat, ich hatte als Kind in den 90ern noch einen Plattenspieler im Zimmer!) auflegte, was damals für mich das Größte war. Mein großes Idol: John Lennon. Aber schon damals nicht der Hippie John Lennon mit den langen Haaren und der Nickelbrille, sondern der gut angezogene 1964er John Lennon. Dass das damals nur vom Management der Beatles aufgezwungene Fassade war, war mir natürlich noch nicht klar, aber irgendwie wurde ich schon als Kind von klassischer britischer Mode der 60er angezogen. Die Jahre vergingen dann wie das so ist, die Beatles als Lieblingsband blieben immer konstant, auch als ich mit 13 (2003) zum ''Grunger'' wurde. Ich ließ mir die Haare lang wachsen, trug Flanelhemden, und wollte unbedingt Gitarre spielen lernen wie Kurt Cobain. Das mit dem Gitarre spielen hat dann ganz gut geklappt und ich begann mich mit den Wurzeln meines neuen Helden zu beschäftigen, denn im Grunde genommen war Cobain ja immer ein normaler Punk, der etwas Neues erfunden hatte. Nun gut, ich recherchierte schließlich mit ca. 14 Jahren im Internet (mit steinzeitlichem Modem und unglaublich langsam!), was denn Punk so ist, wer Punk ist, und wer überhaupt nicht Punk ist. Klar war damals nur: Ich will auch so einer sein! Hilfreich war auch, dass mein Freundeskreis sich zu dieser Zeit ähnlich entwickelte, wir ließen uns also die langen Haare abschneiden, trugen Irokesen, Undercuts, Crops, bevorzugten kaputte Kleidung, Lederjacken mit tonnenweise Buttons und hörten, was man als deutscher Punk eben so hört, darunter Bands wie Slime, WIZO, Hass, Schleimkeim und wie sie eben alle so heißen. Trotzdem war mir das noch nicht genug, denn mit dem Interesse am Punk und dem gleichzeitigen Wunsch mich auch musikalisch mit der Gitarre weiter zu entwickeln, entdeckte ich bald die britischen Punk Veteranen -- The Sex Pistols, The Clash, Joy Division... Mit den neuen Helden im Gepäck (inzwischen 15 Jahre alt) begann ich natürlich deren alte Helden zu untersuchen, was dazu führte dass ich schon bald voll in die British Invasion der 60er Jahre einstieg und auch meinen Fanatismus für die Beatles neu aufleben ließ. Die (inzwischen wieder langen) Haare kamen also wieder ab, die löchrigen Klamotten wurden ausgemustert, und da war ich nun mit zarten 16, einem Pilzkopf und ausnahmsweise mal anständiger Kleidung, welche damals aber noch die jugendliche Britpop Version meines heutigen Stils darstellte, also klassische Racing Lederjacken, Röhrenjeans, Button-Down Hemden und Retro Sneakers. An diesem Punkt wusste ich übrigens immer noch nichts über Mods, obwohl mein ganzes Denken schon langsam in diese Richtung ging! Für mich war es damals einfach nur cooler Look mit Retroelementen. Das ging dann so eine Weile, bis mir ein Bekannter eine LP ans Herz legte, ''All Mod Cons'' von einer mir gänzlich unbekannten Band namens The Jam. Das war für mich erstmal seltsam -- Typen die Musik machen, die klingt wie mein früher geliebter britischer Punk, dazu aber gut angezogen sind und Rickenbacker Gitarren wie die Beatles spielen. Da kam dann plötzlich alles zusammen, was ich in Etappen durchlaufen hatte und dazu bezeichnete sich der Gitarrist Paul Weller auch noch als ''Mod''. Das faszinierte mich natürlich und ich begann abermals zu graben in der Geschichte dieser für mich absolut neuen Subkultur. Da waren The Who, welche ich durchaus mit My Generation im Hinterkopf hatte und die Small Faces mit Lazy Sunday Afternoon, aber dass das alles mal zu irgendeinem Zeitpunkt Mods waren, eröffnete mir eine ganz neue Welt. Inzwischen ähnlich angezogen, dazu noch einen starken Hang zur englischen Musik der 60er Jahre, bemerkte ich plötzlich, dass ich so gesehen schon lange ein Teil dieser (wunderbaren) Subkultur gewesen bin, ohne dies zu registrieren. Da ich aber kein Mann für halbe Sachen war, begann ich (inzwischen 18, 2008) damit, meine gesamte Garderobe auf klassichen englischen Look der frühen 60er Jahre umzustellen. Vinyl flatterte ins Haus, ich entdeckte Blues...und Soul....und Jazz! Eine wunderbare neue Welt stand also plötzlich offen. Mit der Erkenntnis, dass es doch noch mehr Verrückte wie mich gab und einigen Online-Foren konnte ich mich dann bald mit Mods aus aller Welt austauschen und meinen Stil weiter verbessern. Dadurch habe ich auch Kontakte zu ein paar wenigen deutschen Mods knüpfen können, die wenigsten davon leider in meiner Reichweite, aber immerhin wusste ich nun, dass es sie definitiv gab! Wie sieht mein Kleidungsstil also heute aus, nach meiner Odyssee durch Musik und Mode? Im Großen und Ganzen ist es immer noch sehr britisch, ich bevorzuge OCBD Hemden, schmal geschnittene Hosen mit Bügelfalte (Sta-Prests) oder Selvedge Jeans ohne Waschung mit 1-Inch Turn-ups, 3-Knopf Sakkos mit Billettasche, Crombies, Macs, Desert Boots, Brogues oder (übrigens für klassische Mods eher untypisch) Doc Martens Boots. Dazu natürlich eine Vorliebe für schöne, schmal geschnittene Anzüge, Boating Blazer und Harrington Jacken, Levi's Truckers... außerdem experimentiere ich viel mit Einstecktüchern und Socken in verschiedenen Farben... Als Inspiration dient mir inzwischen auch immer häufiger italienische und französische Mode der 50er und 60er Jahre,oder auch klassische Ivy League Garderobe -- man findet bei der Spurensuche in der frühen englischen Mod-Mode zunehmend deren Inspirationen und nutzt sie für den eigenen Geschmack. Außerdem erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich bei den Skinheads/Suedeheads (übrigens historisch gesehen die kleinen Brüder der Mods!) den ein-oder anderen Aspekt klaue, wie z.B. die Boots, aber auch Hemden mit großem (end-60er) Button-Down Kragen (Mikkel Rude, Brutus Trimfit z.B.) und Sheepskin Jacken. Mittlerweile bin ich nun 24, bezeichne mich nun seit gut 6 Jahren als Mod und fühle mich in dieser Subkultur sehr zu Hause. Auch wenn ich inzwischen nicht mehr so engstirnig bin und auch mal bei den Dandies oder den Skins klaue, mein eigentlicher Stil ist und bleibt in dieser Szene verwurzelt.
Was inspiriert dich? Sind es eher Filme, oder Magazine, das Internet?
Filme haben einen großen Stellenwert! Schauspieler wie Steve McQueen, Alain Delon und Jean-Paul Belmondo hatten einen großen Einfluss auf meinen Stil. Das Internet war auch eine wichtige Inspirationsquelle; zum Einen zu Recherchezwecken, zum Anderen bin ich durch Foren wie ''The Mod Generation'' aber auch ständig im Kontakt mit anderen Gleichgesinnten, wir tauschen Fotos aus, geben modische Ratschläge und diskutieren die aktuellsten modischen Schöpfungen, die (besonders in England) unter dem Label ''Mod'' häufig ad absurdum getrieben werden. So lernt man schnell, wo sich ein Kauf lohnt, welche Musik man aktuell angehört haben sollte und wo Veranstaltungen stattfinden.
Was ist für dich die "Essenz" des Mod-Daseins? Ist es bloß das Gewand, oder ist es ein kompletter Lebensstil für dich? Was gehört alles dazu?
Mod zu sein bedeutet mehr als man es kurz beschreiben könnte. Für Außenstehende sind das komische Typen die modisch ein paar Jahrzehnte zurück geblieben sind und die Musik ihrer Großeltern verehren. Für Mods selbst stellt es natürlich einen Lebensstil dar. Man entscheidet sich nicht an einem Wochenende dazu, mal als Mod auf eine Party zu gehen, man erwischt sich schon im Alltag morgens eine halbe Ewigkeit am Kleiderschrank und überlegt, welche Kombination jetzt gerade gut käme, welche Farben man zur jeweiligen Jahreszeit am besten kombiniert und natürlich auch, wo man mal wieder anständige Platten herbekommt. Mein ganzes Denken ist nun seit Jahren auf diesen Lebensstil ausgerichtet -- ich plane meine Outfits teilweise Monate im Voraus, ich durchforste eBay, entsprechende Onlineshops und Second-Hand Läden andauernd nach Kleidung und Schallplatten. Für mich ist es also: Mode, Musik und Grundeinstellung. Andere Mods stecken noch viel Zeit und in ihre Roller, aber das ist für mich kein großes Thema, da ich aufgrund eines fehlenden Motorradscheins und mangelnder technischer Kenntnisse ohnehin nicht dazu in der Lage wäre einen klassischen Roller (z.B. eine Vespa GS) zu unterhalten. So hat jeder seinen persönlichen Schwerpunkt. Auch die Musikpräferenzen unterscheiden sich stark. Ich höre inzwischen so gut wie keine Musik des Mod Revivals mehr, The Jam und Konsorten sind also weitgehend aus meinem Alltag verschwunden, dafür lege ich inzwischen meinen Schwerpunkt auf Blues und Jazz, was übrigens auch die ursprünglichen Genres der ersten Mods in den späten 50ern und frühen 60ern waren! Was Mode angeht sind wir uns aber meistens alle einig!
Wie ist es, als Mod in Deutschland zu leben?
Schwierig. Ich bin ein Mod und ich lebe in Deutschland, so könnte man das ausdrücken. Besonders in meiner Region (Baden-Württemberg) gibt es kaum Veranstaltungen, die lediglich auf diese Subkultur ausgelegt wären, da muss man dann schon nach Bamberg, Nürnberg, Berlin oder nach Linz (am Rhein) fahren, dort gibt es ab und an größere Veranstaltungen, was aber für mich aufgrund der Distanz und Berufstätigkeit kaum realisierbar ist. Ich genieße daher die örtliche Bluesszene. Dort bin ich zwar bei Konzerten unter Männern jenseits der 50 in Jimi Hendrix und Wishbone Ash Shirts der einzig gut angezogene Besucher, kann aber zumindest meine Musik live genießen und ganz umgänglich sind sie ja auch -- trotz ihres fragwürdigen Kleidungsstils!
Du bist ja auch Musiker -- wer hat dich denn am meisten beeinflusst?
Obwohl es keine Mods waren, ganz klar die Beatles. Davon abgesehen bin ich ein großer Verehrer von frühen britischen Blues(rock) Musikern wie Peter Green, Eric Clapton (die frühen Sachen!), John Mayall, Alexis Korner, Rory Gallagher (Ire, KEIN Brite!) oder auch Bands wie Dr. Feelgood, The Small Faces, Georgie Fame and the Blues Flames, klassische Blueser wie T-Bone Walker, John Lee Hooker, BB King, Albert King, Muddy Waters....die Liste ist endlos lang, als Gitarrist hat man meist hunderte von bedeutenden Einflüssen, einige davon natürlich ohne Mod-Bezug, aber musikalisch wertvoll und prägend sind sie alle!
Gibt es auch Musiker, die dich von Ihrem Kleidungsstil her beeinflusst haben?
Georgie Fame, Steve Marriott (in jungen Jahren ohne Schnauzbart und Vokuhila!!), Brian Jones, wie schon erwähnt die jungen, smarten Beatles...ich durchforste generell gerne Fotos britischer Bands aus den Jahren 1961-1965 und suche mir Sachen raus, welche ich so auch tragen möchte/würde.
Und dann noch du als Gitarrist/Bassist: Fender oder Gibson?
Ganz fiese Frage! Ich gehe das ganz pragmatisch an -- besitzen tue ich sowohl diverse Gitarren von Fender, als auch eine Gibson Les Paul. Gespielt wird, was gerade zum Song oder auch zur Stimmung passt, da gibts kein besser oder schlechter. Eine Rickenbacker habe ich natürlich auch, das sollte meiner Meinung nach jeder 60s-vernarrte Gitarrist einmal besitzen!
Gibt es irgendwelche "Mod"-Berühmtheiten, die du gut findest?
Pete Meaden wäre einer den ich immer mochte. Viele fand ich gut, mag jedoch ihre Entwicklung nicht. Problematisch ist dabei auch, dass viele sog. Mod Berühmtheiten sich selbst nie als Mods bezeichnet haben, was in den 60ern übrigens generell ein Trend war -- viele waren klar Mods, kamen jedoch nie auf die Idee sich als solche zu bezeichnen! Einige der bekanntesten Fotos von ursprünglichen Mods zeigen außerdem Menschen, die heute leider keiner mehr kennt, das waren damals eben Faces die zufällig geknipst wurden. Da sind wir auch schon bei einem Problem: Mods waren meist Jugendliche zwischen 13 und 21 aus der Working Class, sobald diese Kids Berühmtheiten wurden (siehe Pete Townshend, Jeff Dexter...), waren sie schnell auch keine Mods mehr!
Und nun, zum Abschluss: Paul Weller oder Steve Marriott?
Ganz klar: Steve Marriott. Weiße Socken zum schwarzen Anzug liegen mir nicht!
Kevin ist ganz eindeutig - wie auch Scott Fraser Simpson - ein Vertreter der Generation Mods, die die Enkelkinder der allerersten Generation sein könnten... ein Beweis dafür, dass gerade der "Modernismus" nicht auf die 1960er-Jahre gepachtet ist (wie oft behauptet wird), sondern fast 60 Jahre danach immer noch funktioniert!
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